Wie man erfolgreich putscht
Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Coup wäre die rasche Übernahme von Schlüsselstellen: Flughäfen, Downing Street, die Houses of Parliament, das Verteidigungsministerium, das Cabinet Office, wichtige Sender wie die BBC und die Hauptquartiere der Geheimdienste des Landes.
Während Ihre Truppen jede Person festnehmen, die sich nicht fügt, zwingen Sie die geschockten Mitarbeiter am Hauptsitz der BBC, den verdutzten Bürgern mitzuteilen, dass eine neue Regierung gebildet wurde.
Nachdem diese Meldung draußen ist, machen Sie den Leuten den Zugang zu anderen Informationsquellen so schwer wie möglich.
Fahren Sie die Mobilfunknetze runter und verhindern Sie den Zugang zu den sozialen Medien.
Die Sperrstunde beginnt um Punkt 18 Uhr.
Doch selbst wenn das alles gelingt, was leichter gesagt als getan ist, was haben Sie dann erreicht?
Die gesamte Innenstadt Londons umfasst nur 319 Quadratkilometer, doch selbst davon kontrollieren Sie nur einen Bruchteil - ein paar Straßen, einige Gebäude, wenige Brücken.
Sogar, wenn Sie es schaffen würden, mit 1000 Bewaffneten in London zu erscheinen, blieben immer noch rund 151.000 Angehörige der britischen Streitkräfte, die nicht in den Umsturzversuch involviert wären.
Außer ihnen und ihren Panzern, ihrer Artillerie und Hubschrauber sind da noch Polizeikräfte zu bewältigen.
In Wirklichkeit kontrollieren Sie also nicht besonders viel.
Was Sie aber haben, ist ein Eindruck von Unausweichlichkeit.
Wenn die Bürger den Fernseher einschalten, sehen sie Ihre Truppen.
Wenn sie das Radio anmachen, hören sie die Stimme des Königs, der ihnen erklärt, sie sollten die militärischen Kräfte unterstützen, die die Macht übernommen hätten, um die Ordnung wiederherzustellen.
Der ehemalige Premierminister ist nirgends zu sehen, weil er in irgendeinem Keller versteckt gehalten wird.
Das neue Regime wirkt stark, weil die vorherige Regierung schwach wirkt.
Das ist der Schlüssel, um Offiziere wie John dazu zu bewegen, sich dem Umsturz anzuschließen oder ihm zumindest nicht im Weg zu stehen.
Und genau so kann eine Regierung von einer kleinen Einheit aus Soldaten gestürzt werden, selbst wenn sie gar nicht so viel Unterstützung innerhalb der Eliten oder in der Bevölkerung genießt.
Das ist exakt, was das Militär zu einer derart mächtigen Bedrohung jedes Tyrannen macht.
In Großbritannien ist ein Szenario wie dieses natürlich schwer vorstellbar.
Das liegt nicht daran, dass Offiziere keinen Groll hegen oder nicht mächtig genug wären, um einen Putschversuch zu starten.
Vielmehr liegt es daran, dass das politische System seit Jahrhunderten Normen fördert, gemäß denen das Militär sich aus der Politik herauszuhalten hat.
Als England das letzte Mal so etwas wie einen Coup erlebte, übernahm Oliver Cromwell mithilfe von vierzig Musketiers die Kontrolle über das Parlament.
Das war im Jahr 1653.
Um das in den richtigen Kontext zu bringen: Als 56 US-Gründerväter die Unabhängigkeitserklärung unterzeichneten, hatten englische Herrscher schon seit mehr als 120 Jahren solche Umstürze verhindert.
Das funktioniert als mächtige Abschreckung.
Wenn der Erste Seelord oder der Verteidigungsminister Seiner Majestät ein Problem mit dem amtierenden Premierminister haben, werden sie einen Staatsstreich nicht einmal in Erwägung ziehen.
In Ländern mit einer Geschichte von Coups sind die zivilmilitärischen Beziehungen sehr viel komplizierter.
Und wenn ein Land kürzlich einen Staatsstreich erlebt hat, sind weitere wahrscheinlicher, weil Staatsstreiche weitere Staatsstreiche legitimieren.
Der Einfluss ist so beträchtlich, dass Länder in eine regelrechte »Putschfalle« geraten können - ein Putsch erzeugt den nächsten und so weiter.
Marcel Dirsus im Buch “Wie Diktatoren stürzen und wie Demokraten siegen können”.