Warum ich jetzt 10 Prozent meines Einkommens spende
2.400 Euro netto im Monat wirft der Job als Wissenschafterin für Hannah Metzler ab. Das ist genau das mittlere Einkommen von Menschen in Vollzeitjobs im Land. In einer Sache aber ist sie nicht Mittelmaß: Sie spendet viel mehr als die meisten. Metzler hat sich entschlossen, zehn Prozent ihres Einkommens zu spenden. Der Durchschnitt liegt bei 0,2 Prozent.
Damit ist sie nicht alleine. Tausende Menschen haben sich über die Plattform „Giving What We Can“ (übersetzt: Wir spenden so viel wir können) öffentlich dazu bekannt, für den Rest ihres Lebens zehn Prozent ihres Einkommens effektiv zu spenden.
Fehlt das Geld nicht anderswo? Sie habe kein Haus, kein Auto, keine Kinder, sagt Metzler und sich nach der Studienzeit nie daran gewöhnt, besonders viel Geld auszugeben.
Die Logik ist schlüssig: Wofür gibt jemand in Österreich, der seine Grundbedürfnisse gedeckt hat, sein Geld aus? Für eine schöne Küche, einen tollen SUV und ein nettes Hotel.
Sehr viele Menschen in anderen Teilen der Welt können ihre Grundbedürfnisse nicht decken – bei ihnen ist das Geld besser aufgehoben.
Metzler ist mein Vorbild. Ich werde heuer zum ersten Mal zehn Prozent meines Einkommens spenden. Von nun an will ich das jedes Jahr tun und wenn Sie so möchten, ist dieser Artikel hier mein öffentliches Commitment dazu.
Ich bin alles andere als ein Asket. Ich bin ein Genussmensch, fahre gerne in den Urlaub, esse gerne gut und mag schöne Dinge. Aber ich lebe in einem der reichsten Länder der Welt und verdiene dort ordentlich. Ich möchte etwas zurückgeben.
Beruflich habe ich mich viel mit globaler Armut beschäftigt. Sie sinkt rapide – 1990 waren zwei Milliarden Menschen extrem arm, heute 700 Millionen. Aber es gibt nach wie vor sehr viel Leid auf der Welt – ich möchte zumindest ein bisschen etwas dagegen tun.
In Österreich gibt es einen Sozialstaat, der von Reich zu Arm umverteilt. Global gibt es das nicht und Entwicklungszusammenarbeit ist gering dotiert und funktioniert meist mäßig.
Mein Geld fließt an besonders effektiv arbeitende Organisationen. Das ist die Grundidee: Nicht nur viel spenden, sondern auch ganz genau auf die Wirkung der Spende achten. In Deutschland hilft effektiv-spenden.org bei der Auswahl der NGO.
In den USA spezialisiert sich givewell.org darauf, jedes Jahr Vorschläge dafür zu machen, wo man mit einem Euro am meisten bewirken kann. Das wird penibel argumentiert.
Derzeit wird empfohlen, das Geld an Organisationen zu geben, die Anti-Malaria-Pillen oder Vitamin A-Tabletten an Kinder verteilen. Auch an eine NGO, die Geldtransfers im Austausch für Routine-Impfungen für Kinder in Nordwestnigeria vergibt.
Die NGO GiveDirectly wird ebenfalls ausgezeichnet bewertet. Wie der Name sagt, wird Geld von Spendern direkt an Menschen in den ärmsten Ländern weitergegeben.
Die Beträge werden zu je 1.000 Dollar gebündelt und an Familien einmalig vergeben.
Verlässliche Studien, etwa von Forschern der Universität Princeton, zeigen, dass die Menschen das Geld sinnvoll ausgeben – für ihr Haus, Vieh, die Bildung ihrer Kinder, für Besuche in den oft kostenpflichtigen Krankenhäusern.
Die NGO ist transparent, lässt sich von externen Wissenschaftern evaluieren und ermöglicht damit jedem, per Knopfdruck von Salzburg aus Geld an die Ärmsten der Welt zu schicken.
Warum machen das nicht mehr?
Im Durchschnitt spendet ein Mensch in Österreich 0,23 Prozent seines Einkommens. In den USA im Schnitt 2 Prozent, so der Fundraising Verband Austria. Wir zahlen Steuern, damit Obdachlosen und kranken Menschen geholfen wird – in den USA machen das Charities.
Das ist der Grund, warum kaum etwas von meinem Spendengeld nach Österreich fließt. Bei den meisten Menschen ist das umgekehrt, zeigt die Forschung.
Je näher uns etwas ist, desto eher spenden Menschen dafür, sagt Janet Kleber, Sozialpsychologin an der Universität Klagenfurt. Am meisten für Kinder und Tiere. Ein Kinder- oder Tierheim im Nachbarort ist quasi der ideale Spendenempfänger.
Der Genozid im Sudan emotionalisiert kaum, der Krieg in der sehr viel näheren Ukraine hat 2022 dazu gefüht, dass das Spendenaufkommen so stark gestiegen ist wie nie zuvor.
Das ist verständlich, aber meistens kann unser Geld in Ländern, die weiter weg sind, mehr bewirken, etwa in Subsahara-Afrika oder in Asien.
Die fehlende Spendenkultur in Österreich zeigt sich auch daran, dass laut Fundraising Verband absurderweise ärmere Menschen einen höheren Anteil ihres Einkommens spenden als reichere.
Anders als in den USA ist man bei uns auch nicht stolz darauf, wenn man spendet, und spricht darüber – das wird eher als Prahlerei gesehen.
Ich poste jedes Jahr auf Social Media, für was ich wie viel spende. Manche mögen das als Angeberei sehen und vielleicht ist das auch nicht ganz falsch. Ich hoffe damit aber auch, andere dazu zu bringen, darüber zu reden und mehr zu spenden.
Denn die Forschung zeige, dass Menschen vor allem dann spenden, wenn sie gefragt werden, sagt Michaela Neumayr vom Institut für Nonprofit Management an der Wirtschaftsuniversität Wien. Also wenn sie angesprochen oder ihnen ein Aufruf per Post zugesendet wird. Wir müssen quasi erinnert werden.
Was die Motivation, zu spenden, betrifft, haben Studien zwei Stufen identifiziert, erklärt Psychologin Kleber. Zunächst spenden wir, weil wir uns schlecht fühlen. Wir werden mit Leid konfrontiert, wollen uns besser fühlen. Wir denken also zuerst einmal an uns selbst.
In der zweiten Stufe, nach dem die Entscheidung, zu spenden, getroffen ist, kommt dann Empathie dazu. Jetzt denken wir nicht mehr an unser schlechtes Gefühl, sondern wollen anderen tatsächlich helfen. Es ist also eine Mischung aus Egoismus und Altruismus.
Ist effektives Spenden der heilige Gral im Kampf gegen Armut? Nein – und manche kritisieren, dass das so dargestellt wird.
Was historisch Armut bekämpft hat ist Wirtschaftswachstum. Das entsteht in ärmeren Ländern meist dann, wenn sich politische Institutionen verbessern.
Nur lässt sich da nur schwer von außen helfen. Bis dahin verbessern effektive Spenden im Kleinen das Leben von zig Millionen Menschen.
Effektive Altruisten, wie sich diese Bewegung nennt, werden wohl immer eine Minderheit bleiben. Aber nehmen wir an, nur 5 Prozent des Spenden-Aufkommens in Österreich fließt an GiveDirectly. 50.000 Familien würden so jedes Jahr 1.000 Euro bekommen.
Je mehr Menschen darauf achten, dass ihre Spende wirklich hilft, desto größer wird auch der Druck auf andere Organisationen, ihre Arbeit wissenschaftlich evaluieren zu lassen.
Dass das Geld irgendwo versinkt und nicht hilft und man deshalb nicht spenden möchte – dieses Argument zählt nicht mehr.
Es gibt dutzende transparente, effektive Organisationen. Man kann also, buchstäblich, guten Gewissens spenden.
Und wer noch mehr Gutes tun möchte, der redet auch darüber.
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Dieser Text ist am 6.12.2023 zuerst in den Salzburger Nachrichten erschienen.