Wahlärzte vs. Kassenärzte
Soraya Pechtl hat im Falter eine hoch interessante Recherche zu den Problemen des österreichischen Gesundheitssystems geschrieben.
Hier einige Auszüge:
Bundesweit gibt es insgesamt 11.593 Wahlärzte und nur 7147 Kassenärzte (Stand Dezember 2023). […] Die Zahl der Wahlärzte ist seit 2009 um 60 Prozent gestiegen. Bei den Fachärzten war es sogar ein Plus von 74 Prozent.
Die Zahl der Vertragsärzte ist dagegen um sieben Prozent gesunken. Und das bei einer Bevölkerung, die wächst, älter wird und mehr medizinische Betreuung braucht. Das führt zu einem wachsenden Problem:
Im Vorjahr haben die Kassenärzte um zehn Prozent mehr Menschen behandelt als noch vor fünf Jahren. Das spüren die Patienten. Laut einer aktuellen Erhebung der Ärztekammer sind die Wartezeiten bei Kassenärzten in allen Fachrichtungen stark gestiegen. Auf einen Termin beim Gynäkologen warten Wienerinnen im Schnitt 32 Tage, 2012 waren es noch acht Tage.
Wer nicht warten will und es sich leisten kann, geht zum Wahlarzt. Alle anderen in die Klinik. Auch dort steigt die Arbeitsbelastung.
Der Anfang von Wahlärzten:
Wahlärzte waren in Österreich lange ein Randphänomen. Sie beschränkten sich auf Gesundheitsdienstleistungen, die nicht von der Kasse gezahlt wurden. Das änderte sich mit den EU-Beitrittsverhandlungen.
Die Union störte sich damals an der Monopolstellung der Krankenkassen und der Ärztekammer. Die Ärzte könnten sich in Österreich nicht frei niederlassen, sie seien auf die Zuteilung einer Planstelle angewiesen. Also musste der Markt für Wahlärzte geschaffen werden.
„In der Folge wurden die Kassenstellen konsequent verringert“, sagt Gesundheitsökonom Ernest Pichelbauer. Und wer keine Kassenstelle bekam, wurde eben Wahlarzt. „Niemand rechnete in den 90ern damit, dass sie zur Konkurrenz für das öffentliche System werden würden“, sagt Pichelbauer.
Dabei verdienen Wahlärzte im Schnitt deutlich weniger als Kassenärzte. Pro Patient verdienen sie zwar mehr, aber sie haben deutlicher weniger Patienten. Vier bis fünf Patienten pro Stunde hat ein Wahlarzt im Schnitt, ein Kassenarzt zehn bis 20.
So verdienen Kassenärzte in Österreich im Jahr im Schnitt 190.000 Euro brutto. Ein Wahlarzt verdient im Schnitt um 72.000 Euro weniger.
Würde der Staat seiner Verantwortung gerecht werden, gäbe es keine Wahlärzte. Der Markt schließt Lücken, die das staatliche Gesundheitssystem öffnet.
Es geht auch um die schlechten Anreize im System: Wer sich mehr Zeit für einen Patienten nimmt, verdient weniger. Das ist schlicht weg ein fataler Anreiz.
Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag müssen fünf Tage die Woche für mindestens 20 Stunden die Praxis öffnen. Rechnet man den ganzen Papierkram dazu, sind das 40 Wochenstunden. Dazu kommen Bereitschaftsdienste. Teilzeit ist nicht möglich.
Die Work-Life-Balance eines Wahlarztes ist deutlich besser.
Was sind also Lösungen?
Im Falter-Text werden dieser vier herausgearbeitet:
Primärversorgungszentren
Die Anreize bei den Honoraren verändern
Kassenärzte besser bezahlen
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