profil: Von Apartheid sprechen mittlerweile auch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International.
Lipstadt: Es gibt einen Unterschied zwischen der Westbank und Israel. Wäre ich gern Palästinenserin in der Westbank? Absolut nicht, nein. Doch von Israel als Apartheid-Staat zu sprechen, ist Unsinn. In Israel sitzen Araber in den höchsten Gerichten und stellen Abgeordnete in der Knesset. Natürlich gibt es Diskriminierung gegen Araber. Doch Apartheid oder gar Genozid sind die falschen Begriffe.
profil: Amnesty spricht von rassistischer Diskriminierung in den besetzten Gebieten.
Lipstadt: Lassen Sie mich von einem Fall an der Universität in Kapstadt berichten. Dort waren zwei Überlebende des von der Hamas attackierten Musikfestivals eingeladen, um von ihren Erlebnissen zu berichten. „Kolonialisten", riefen die Leute, „geht zurück nach Europa!". Dabei war eine der Überlebenden eine äthiopische Jüdin. Das kann man doch nicht erfinden.
profil: Sie schreiben in Ihrem Buch „Der neue Antisemitismus": „Die Verneinung der jüdischen Nationalität ist eine Form des Antisemitismus, wenn nicht in der Absicht, so doch in der Wirkung." Ist Antizionis-mus wirklich mit Antisemitismus gleichzusetzen?
Lipstadt: Sie stellen die Frage der falschen Person, geeignet ist sie für Menschen, die vor Synagogen demonstrieren, jüdische Schulen mit Parolen beschmieren, Holocaust-Gedenkstätten demolieren. In Wien haben mir Juden erzählt, ihre Kinder legen jüdische Symbole ab, bevor sie das Haus verlassen. Es sind jene, die Jüdinnen und Juden bedrohen, die Antizionismus mit Antisemitismus gleichsetzen. Zu sagen:„Ich bin gegen Israel" ist noch nicht Antisemitismus.
Aus einem sehr lesenswerten Interview mit der Holocaust-Forscherin Deborah Lipstadt im Profil.