Im Corona-Aufarbeitungsbericht, den der deutsche Soziologe Alexander Bogner von der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Ende 2023 - lange nach Kurz' Rückzug - vorlegen wird, findet sich bei den Schlüssen, die er aus der Entstehung der Impfpflicht (dazu gleich mehr) zieht, unter anderem folgende Passage:
»Vorsicht vor heroischen Maßnahmen! Heroische Maßnahmen basieren auf dem festen Glauben daran, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt die eine beste Lösung gibt, um ein Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.
Eine heikle, unübersichtliche Situation wird auf eine einzige große Entscheidung zugespitzt, die nur zwei Optionen zulässt: verpflichtende Impfung oder ständig wiederkehrender Lockdown.
Dieser Perspektive folgend geht es in politischer Hinsicht deswegen um alles oder nichts, jetzt oder nie. Dahinter steht die Überzeugung, dass es für ein komplexes Problem (Pandemie) eine relativ einfache Lösung (Impfstoff) gibt, die aber den großen Wurf (Impfpflicht) benötigt, weil sie sonst nicht greift.
Mit dem Impfen bzw. der Impfpflicht glaubte man sozusagen ein geschliffenes Schwert in der Hand zu haben, um den Gordischen Knoten der Pandemie zerschlagen zu können.
Die Attraktivität dieser ›Alexander-Lösung‹ liegt in ihrer Kraft zur ultimativen Komplexitätsreduktion und verführt zu der Schlussfolgerung, dass sie keiner Abwägung bedart.
Oft ist es der Glaube an die Erlösung durch Technik, der zu heroischen Maßnahmen veranlasst. So galt früher einmal Atom-Strom als unerschöpfliche Quelle billiger Energie, heute werden die Probleme thematisiert, die mit dieser Lösung einhergingen. Postheroische Lösungen hingegen sind weniger spektakulär, dafür aber revisionsoffen und kontextsensibel.«
Aus “Die letzten Jahre der Zweiten Republik”, dem neuen Buch von Georg Renner.
Optimistischer Buchtitel zum beschwingten Start in die Woche. ;-)