3 Dinge, vor denen alle Angst haben: Der Tod, andere Leute und die eigenen Gedanken
Der Wissenschaftsautor Michael Pollan zitiert in seinem herausragenden Buch “Verändere dein Bewusstsein” den Psychiater Ronald Laing:
“There are three things human beings are naturally afraid of: death, other people, and their own minds.”
(The Politics of Experience, 1967)
Weil ich das sehr interessant und einleuchtend fand, habe ich ChatGPT 4o um Erklärung gebeten:
Laing meint das nicht flapsig, sondern existenziell. Seine Idee:
Der Tod – ist das Urtrauma, das verdrängt wird.
Andere Menschen – sind potenzielle Bedrohung, weil sie Macht über unser Selbstbild und unsere Identität haben.
Das eigene Denken – kann unheimlich sein, weil es uns mit unterdrückten Ängsten, Widersprüchen, Sinnfragen konfrontiert.
Laing argumentiert: In einer repressiven Gesellschaft werden Menschen „normalisiert“, indem man ihnen beibringt, sich nicht mit diesen drei Dingen zu befassen. Stattdessen wird verdrängt, kompensiert, weggelacht oder psychiatrisiert.
Wer war er?
Laing war ein Enfant terrible der Psychiatrie – gefeiert von der 68er-Bewegung, verteufelt von der medizinischen Orthodoxie. Er experimentierte mit LSD in der Therapie, gründete eine Kommune (Kingsley Hall), in der Psychose als spirituelle Reise verstanden wurde, und sah Schizophrenie oft nicht als Krankheit, sondern als eine Form der Wahrheitssuche.
In der heutigen Psychiatrie ist vieles, was Laing sagte, widerlegt oder umstritten. Aber: Er hat wichtige Impulse gegeben, um den Menschen im Patienten ernst zu nehmen und gesellschaftliche Ursachen psychischer Krisen zu erkennen.
Ich habe um mehr Kontext zu den drei Ur-Ängsten gebeten:
Angst vor dem Tod
Für Laing ist die Todesangst die grundlegende menschliche Angst – die Urangst. Aber unsere Gesellschaft lässt kaum Raum, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Stattdessen: Verdrängung. Der Tod wird ausgelagert – in Spitäler, Pflegeheime, in fiktionale Gewalt auf Netflix. Er ist medial allgegenwärtig und gleichzeitig tabuisiert.
Andere Perspektiven
Ernest Becker (The Denial of Death, 1973): Er argumentiert, dass unser gesamtes gesellschaftliches Handeln ein Versuch sei, der Todesangst zu entkommen – durch Ruhm, Karriere, Religion oder sogar Kinderkriegen.
Terror Management Theory (Greenberg, Pyszczynski, Solomon): Empirisch untermauert, wie Menschen stärker an Ideologien, Nationalstolz oder Konsum festhalten, wenn sie an den Tod erinnert werden („mortality salience“).
Philippe Ariès (Historiker): Zeigt, wie sich der Umgang mit dem Tod historisch verändert hat – vom vertrauten Sterben im Kreis der Familie zur Entfremdung in der Moderne.
Repression durch die Gesellschaft
Kein Raum für Trauer, keine Rituale mehr, keine Sprache für Endlichkeit.
Altenpflege wird outgesourct, Sterben ist unästhetisch, unproduktiv – also gesellschaftlich „wertlos“.
Stattdessen: Anti-Aging, Workouts, Smoothies, Selbstoptimierung als moderne Totenschutz-Magie.
Angst vor anderen Menschen
Zwischenmenschliche Beziehungen können Hölle sein. Nicht, weil die anderen böse sind, sondern weil wir in einem permanenten Spiegelkabinett leben – wie andere uns sehen, beeinflusst, wer wir sind. Laing spricht von „ontologischer Unsicherheit“ – das Gefühl, nicht wirklich zu existieren, wenn andere einen nicht bestätigen.
Andere Perspektiven
Sartre („Der Blick des Anderen“): Sobald ich bemerke, dass ich gesehen werde, werde ich Objekt – und verliere meine Freiheit.
Judith Butler: Unsere Identität entsteht in sozialen Normen. Der „Andere“ ist immer auch eine Instanz, die beurteilt, sanktioniert, korrigiert.
Psychologische Studien: Die größte Angst ist oft nicht Versagen, sondern wie andere über unser Versagen denken. Soziale Angststörungen beruhen genau darauf.
Repression durch die Gesellschaft
„Sei du selbst!“ heißt es überall – aber wehe, du wehrst dich gegen Konventionen.
Menschen, die „anders“ sind, werden pathologisiert, lächerlich gemacht oder ausgeschlossen.
Die Leistungsgesellschaft macht andere zur Konkurrenz: Wer schneller, besser, schöner ist, gewinnt – also lieber niemandem zu nah kommen.
Angst vor dem eigenen Denken
Unser Denken kann düster, widersprüchlich, unkontrollierbar sein. Es konfrontiert uns mit Schuld, Lust, Widersprüchen, Zweifeln, Sinnlosigkeit. Um uns davor zu schützen, betäuben wir uns – mit Arbeit, Ablenkung, Entertainment, Religion, Ideologie.
Andere Perspektiven
Freud: Das Unbewusste ist voller verdrängter Inhalte – Triebe, Wünsche, Schuldgefühle. Denken kann zur Bedrohung werden, wenn es das Bewusstsein destabilisiert.
Adorno/Horkheimer (Dialektik der Aufklärung): Die Aufklärung schlägt in Mythos zurück, wenn Menschen das Denken nur noch instrumentell nutzen – nicht zur Selbsterkenntnis, sondern zur Kontrolle.
David Foster Wallace: In seiner berühmten Rede „This Is Water“ warnt er davor, im Autopilot-Modus zu leben – nicht weil Denken so angenehm ist, sondern weil es weh tut.
Zusammenfassend:
Laings These ist also nicht einfach psychologisch, sondern zutiefst politisch: Eine gesunde Gesellschaft wäre eine, die Menschen nicht vor sich selbst schützt, sondern ihnen hilft, sich diesen Ängsten zu stellen – mit Mut, Mitgefühl und Sprache.