Die nordischen Länder sind relativ klein: Alle zusammen haben sie nur 26 Millionen Einwohner - das ist weniger als ein Drittel der deutschen Bevölkerung. Schweden ist mit 10 Millionen Einwohnern das größte nordische Land.
Die nordischen Länder haben ein sehr hohes Vertrauen in ihre Mitmenschen und staatliche Institutionen. Während in den USA nur etwa 37% der Menschen glauben, dass man den meisten Menschen vertrauen kann, sind es in den nordischen Ländern fast 70%. Dieses hohe Vertrauen macht es leichter, ein System mit starkem Sozialstaat und gemeinsamen Verhandlungen zu betreiben.
Viele denken, in den nordischen Ländern würden fast nur "Einheimische" leben. Das stimmt aber nicht: In Norwegen und Schweden leben sogar anteilig mehr Menschen, die im Ausland geboren wurden, als in Großbritannien oder den USA.
Menschen in den nordischen Ländern leben im Durchschnitt deutlich länger als Menschen in den USA. In Schweden und Norwegen werden die Menschen durchschnittlich 83 Jahre alt, in den USA nur 76,4 Jahre.
Die nordischen Arbeitnehmer sind sehr produktiv: Sie schaffen in einer Arbeitsstunde mindestens genauso viel wie amerikanische Arbeitnehmer. Dabei arbeiten sie aber pro Jahr etwa 200 Stunden weniger - das sind ungefähr 5 Arbeitswochen.
In den nordischen Ländern haben mehr Menschen einen Job als im Durchschnitt der entwickelten Länder. Das liegt vor allem daran, dass dort viel mehr Frauen arbeiten als in anderen Ländern.
In den nordischen Ländern sind die Gehaltsunterschiede zwischen Menschen viel kleiner als in anderen Ländern. Das liegt nicht hauptsächlich daran, dass der Staat Geld von Reichen zu Ärmeren umverteilt, sondern daran, dass die Gehälter von vornherein ähnlicher sind. Der Abstand zwischen hohen und niedrigen Löhnen ist einfach kleiner.
Die nordischen Länder geben zwar viel Geld für Bildung aus, aber die Menschen dort sind nicht unbedingt besser ausgebildet als in den USA oder Großbritannien. Der große Unterschied ist: In den nordischen Ländern verdient man mit einem Universitätsabschluss nicht so viel mehr als ohne - während in den USA der Gehaltsunterschied zwischen Akademikern und Nicht-Akademikern sehr groß ist.
Frauen verdienen in den nordischen Ländern im Durchschnitt etwas mehr im Vergleich zu Männern als in den USA (der Unterschied ist 30% kleiner). Aber das ist nicht der Hauptgrund für die generell kleineren Gehaltsunterschiede in den nordischen Ländern - es erklärt nur 2% davon. Viel wichtiger ist, dass generell die Gehälter zwischen allen Beschäftigten ähnlicher sind.
Das nordische Modell hat seinen Ursprung in der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre. Damals gab es ein Problem: Firmen, die ihre Produkte ins Ausland verkauften, hatten wegen der Krise große Schwierigkeiten und mussten die Löhne senken. Aber die Firmen, die nur für den heimischen Markt produzierten, wollten ihre Löhne nicht senken. Das führte zu Spannungen. Als Lösung wurde ein System eingeführt, bei dem alle gemeinsam über Löhne verhandeln - und dieses System ist bis heute ein Kernstück des nordischen Modells.
In den nordischen Ländern zahlt man zwar hohe Steuern, trotzdem arbeiten dort sehr viele Menschen. Das klingt erstmal überraschend, hat aber einen einfachen Grund: Der Staat nutzt das Steuergeld, um Dinge günstiger zu machen, die man zum Arbeiten braucht. Das beste Beispiel ist die Kinderbetreuung: Weil Kitas stark bezuschusst werden, können beide Eltern leichter arbeiten gehen. Die hohen Steuern fließen also direkt in Dienste zurück, die das Arbeitsleben erleichtern.
Die Einführung von Elternzeit und subventionierter Kinderbetreuung hatte nur moderate Effekte auf die Frauenerwerbstätigkeit - sie war eher eine Reaktion auf die bereits steigende Erwerbsbeteiligung.
In den nordischen Ländern verdienen die Menschen zwar ähnlichere Gehälter als in anderen Ländern, aber wenn man sich das Vermögen anschaut (also Erspartes, Immobilien, Aktien etc.), sieht es anders aus: Hier gibt es sehr große Unterschiede, und das Vermögen ist sogar stärker konzentriert als in vielen anderen Ländern.
Die Gehälter in den nordischen Ländern werden auf zwei Ebenen verhandelt: Zuerst gibt es große, zentrale Verhandlungen für ganze Branchen, die einen Grundrahmen festlegen. Danach kann jeder Betrieb noch eigene Anpassungen vornehmen. Das sorgt dafür, dass die Gehälter einerseits nicht zu weit auseinandergehen, aber Firmen trotzdem noch einen gewissen Spielraum haben.
Wenn man sich die PISA-Tests anschaut (das sind internationale Schulleistungstests), schneiden die nordischen Länder im Durchschnitt besser ab als viele andere Länder. Außerdem sind die Unterschiede zwischen den Schülern etwas kleiner - es gibt also weniger sehr schlechte und sehr gute Ergebnisse.
Schon in den 1930er Jahren führten die nordischen Länder eine Gesundheitsversorgung für alle ein. Das hatte langfristig positive Folgen: Die Menschen wurden nicht nur gesünder, sondern schnitten auch in der Schule besser ab. Besonders stark profitierten davon ärmere Familien, die sich vorher keine gute medizinische Versorgung leisten konnten.
In Schweden kümmern sich die Gewerkschaften darum, dass Arbeitslose ihr Geld bekommen - nicht der Staat. Das führt dazu, dass viele Menschen Mitglied in einer Gewerkschaft werden wollen, weil sie im Fall der Arbeitslosigkeit gut abgesichert sein möchten.
Es wird viel darüber diskutiert, ob andere Länder das nordische System übernehmen könnten. Manche sagen: Das funktioniert nur, weil es auch Länder wie die USA gibt, die ganz anders wirtschaften - mit größeren Gehaltsunterschieden und mehr Wettbewerb. Andere glauben, dass jedes Land das nordische Modell einführen könnte.
Die nordischen Länder haben zwei Besonderheiten gleichzeitig: Einerseits verkaufen sie sehr viel ins Ausland (die Hälfte von allem, was sie produzieren), sind also sehr international aktiv. Andererseits hat der Staat eine starke Rolle und kümmert sich um viele Bereiche des öffentlichen Lebens.
Das nordische Sozialsystem folgt einem einfachen Grundsatz: Jeder Bürger hat die gleichen Rechte auf staatliche Leistungen - egal ob reich oder arm. Man muss also nicht erst nachweisen, dass man bedürftig ist. Ob es um Kindergeld, Gesundheitsversorgung oder Bildung geht: Diese Leistungen stehen allen zu.
Wenn Menschen in Dänemark oder Norwegen krank oder behindert sind und nicht arbeiten können, bekommen sie viel Unterstützung vom Staat - dafür werden 4,5% der gesamten Wirtschaftsleistung ausgegeben. In den USA gibt es viel weniger Hilfe, dort sind es nicht mal 1%.
In den nordischen Ländern zahlen Menschen und Unternehmen deutlich mehr Steuern als in den USA. Von jedem Euro, der erwirtschaftet wird, gehen über 40 Cent an den Staat. In den USA sind es nur etwa 28 Cent. Mit diesem Geld werden dann die vielen sozialen Leistungen bezahlt.
Wer in den nordischen Ländern auf ein Gymnasium oder eine Universität will, braucht vor allem gute Noten. Anders als in vielen anderen Ländern spielt es keine Rolle, ob die Eltern reich sind oder welche Beziehungen sie haben - es zählt nur die schulische Leistung.
Das Schulsystem in Norwegen funktioniert genau andersherum als in den USA: Schulen in ärmeren Gegenden bekommen mehr Geld pro Schüler als Schulen in reichen Gegenden. In den USA haben die Schulen in reichen Gegenden meist mehr Geld zur Verfügung.
Das dänische Arbeitsrecht ist besonders: Firmen können Mitarbeiter sehr leicht einstellen und auch wieder entlassen. Das nennt man "Flexicurity-Modell". In Norwegen und Schweden ist das anders - dort ist es viel schwieriger, Mitarbeiter zu kündigen.
Quelle:
INCOME EQUALITY IN THE NORDIC COUNTRIES:: MYTHS, FACTS, AND LESSONS. Magne Mogstad, Kjell G. Salvanes, Gaute Torsvik. Februar 2025. Das Ganze ist ein NBER Working Paper und noch nicht peer-reviewed.
Ich habe die Studie quer gelesen und habe sie Claude dann zusammenfassen lassen –bzw. mit dem Sprachmodell noch über einzelne Aspekte gesprochen.
Dass heute jede:r (!) mit den besten und kompliziertesten Studien “reden” kann, um sie zu verstehen, ist eine absolute Sensation. Ich liebe es.
Warum ist das Einkommen der Eltern im Schulsystem nicht wichtig?
Die Schulfinanzierung:
Die Finanzierung wird zentral gesteuert, nicht lokal
Es gibt eine konkrete Studie von Herrington (2015), die zeigt, dass in Norwegen ärmere Schulbezirke systematisch mehr Geld pro Schüler erhalten
Im Gegensatz dazu zeigt dieselbe Studie, dass in den USA die Schulqualität stark vom Einkommen im Schulbezirk abhängt
Das Aufnahmesystem:
Es gibt ein stark meritokratisches System (leistungsbasiert)
Die Zulassung zu weiterführenden Schulen und Universitäten basiert fast ausschließlich auf Noten
Die Aufnahmeverfahren sind hochstandardisiert und transparent
Es gibt keine Vorteile durch "legacy admissions" (wie in den USA, wo Kinder von Alumni bevorzugt werden)
Die Kosten:
Bildung ist auf allen Ebenen kostenfrei
Es gibt keine Studiengebühren, auch nicht für höhere Bildung
Studierende können finanzielle Unterstützung für Lebenshaltungskosten bekommen, meist eine Kombination aus Zuschüssen und Darlehen
Diese Unterstützung ist unabhängig vom Einkommen der Eltern
Allerdings merkt die Studie auch an, dass der Zugang zu den beliebtesten Programmen und Universitäten sehr wettbewerbsorientiert sein kann - aber eben basierend auf akademischen Leistungen, nicht auf finanziellen Mitteln.
Wie bewertet die Studie, dass Spitzenverdiener in Skandinavien relativ wenig verdienen?
Die kritische Sicht ("Free-rider Hypothese"):
Argumentiert, dass das nordische Modell mit seiner starken Lohnkompression nur funktioniert, weil es andere Länder (wie die USA) gibt, die ein ungleicheres System haben
Diese ungleicheren Systeme schaffen stärkere Anreize für Innovation
Die nordischen Länder profitieren dann von diesen Innovationen, ohne selbst die "sozialen Kosten" der Ungleichheit tragen zu müssen
Nach dieser Sicht könnten nicht alle Länder das nordische Modell übernehmen, ohne dass die globale Innovation und Produktivität leiden würde
Die positive Sicht ("Effizienz-Hypothese"):
Argumentiert, dass Lohnkompression tatsächlich die Produktivität steigern kann
Durch höhere Löhne für niedrig qualifizierte und niedrigere Löhne für hoch qualifizierte Arbeit werden Firmen gezwungen, effizient zu wirtschaften
Ineffiziente Firmen werden vom Markt gedrängt
Die Lohnkompression schafft auch sozialen Frieden und mehr Akzeptanz für technologischen Wandel
Nach dieser Sicht könnten andere Länder das Modell erfolgreich übernehmen
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die empirische Forschung bisher nicht eindeutig klären konnte, welche dieser Sichtweisen zutrifft. Die Autoren betonen, dass mehr Forschung nötig ist, um die systemischen Effekte unterschiedlicher Lohnsysteme zu verstehen.