Wir sind nicht im Krieg, aber auch nicht im Frieden
Die FAZ hat ein hoch interessantes Interview mit Generalleutnant André Bodemann geführt. Ein paar Ausschnitte:
Früher gab es nur Null oder Eins, Frieden oder Krieg. Heute liegt dazwischen eine lange Strecke hybrider Bedrohungen. Schon heute gilt: Wir sind nicht im Krieg, formaljuristisch, aber wir befinden uns auch schon lange nicht mehr im Frieden, weil wir täglich bedroht und auch attackiert werden.
Wir werden täglich mit Fake News und Desinformation angegriffen. Das Zweite sind Attacken im Cyberraum. Die sind schwer zuzuordnen – Russland, China, organisierte Kriminalität –, aber die Effekte sind da. Das Dritte ist eine massive Zunahme der Ausspähung. Wir haben eine starke Steigerung bei Drohnensichtungen über Militäreinrichtungen, aber auch Ausspähversuche durch Fahrzeuge von russischen Konsulaten, die sich teilweise sogar auf Truppenübungsplätzen bewegt haben. Ein russisches Spionageschiff, das für eine Passage in der Ostsee Monate braucht statt zehn Tage. Das sind konkrete Beispiele. Das Vierte ist, nicht täglich stattfindend, Sabotage. Denken Sie an Nord Stream 2, denken Sie an angebohrte LNG-Rohre, manipulierte Bahnstrecken oder einen Sprengstofffund entlang der NATO-Pipeline. Das wurde dort offenbar vor Kurzem für einen Tag X vergraben.
Deutschland arbeitet an einem Plan, der die Zivilgesellschaft in die Verteidigung einbindet.
Wenn sich etwa eine US-Division durch Deutschland in Richtung Osten bewegt, Tausende Fahrzeuge, Tausende Soldaten. Dann müssen die verpflegt werden, die Fahrzeuge betankt, eventuell repariert werden. Die Bundeswehr-Logistik wäre dann wahrscheinlich bei unseren Soldatinnen und Soldaten an der Front gebunden. Das bedeutet: Wir brauchen dann maximale zivile Leistungserbringung. Der Konvoi bekommt dann Sprit von der Tankstelle oder einem zivilen Fahrzeug, das Rote Kreuz sorgt für die Sanität, die Verpflegung kommt von einem zivilen Caterer. Das wäre der klassische Fall.
Es gibt nur wenige Brücken über die Oder. Wenn sie die vernichten, dann haben wir ein Problem. Brückenprobleme haben wir auch schon ohne äußere Bedrohung, etwa in Leverkusen oder bei der gesperrten A-45-Brücke. Wir müssen Verkehrsinfrastruktur ertüchtigen. Das gilt fürs Zivile wie auch fürs Militärische. Die Ostbahn von Brandenburg nach Polen ist auf polnischer Seite gut ausgebaut, bei uns ist sie das noch nicht. Auch Behelfsmöglichkeiten für Starts und Landungen erneuern wir, und unsere Piloten müssen wieder lernen, das zu nutzen. Manches haben wir aber auch neu entdeckt: So hat etwa auch die Bundesautobahngesellschaft Behelfsbrücken, nicht bloß die Bundeswehr, was ich beispielsweise nicht gewusst habe.
Es kommt am Ende auch auf jeden einzelnen Bürger, jede einzelne Bürgerin an. Spätestens seit Februar 2022 ist klar, dass sich die Zeiten verändert haben. Das wissen noch nicht alle. Wir müssen über die Bedrohung reden, und wir werden das üben müssen.